Das Strafbefehlsverfahren (§§ 407 – 412 StPO) ist eine besondere Verfahrensart, die der Entlastung der Gerichte dient und im Verkehrsstrafrecht oft praktiziert wird. Die Staatsanwaltschaft kann beim Strafgericht den Erlaß eines Strafbefehls beantragen, der dann dem Beschuldigten auf dem Postweg zugestellt wird. Sein Inhalt : Unter anderem die Personendaten des Beschuldigten, die vorgeworfene Tat, die Beweismittel, die Rechtsfolgen und eine Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 409 StPO). Das wars. Das Besondere an dem Verfahren ist, dass es zu keiner Hauptverhandlung kommt, der Staatsanwalt nirgendwo erscheinen muss und der Richter kein Urteil zu schreiben hat. Es werden somit Verfahrenskosten gespart und für den Beschuldigten ist die Angelegenheit früher erledigt.
Doch Vorsicht: Der Strafbefehl kommt einem Urteil gleich! Wird also gegen diesen nicht binnen einer Zweiwochenfrist Einspruch eingelegt, so ergeht er in Rechtskraft! Das bedeutet, dass die im Strafbefehl festgesetzte Geldstrafe und die Kosten an die Justizkasse zu entrichten sind, der Strafbefehl ins Bundeszentral- und ggfs. ins Fahreignungsregister aufgenommen wird, man unter Umständen vorbestraft ist und ein festgesetztes Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis wirksam wird!
Wurde hingegen fristgerecht Einspruch eingelegt, so kommt es zu der „üblichen“ Hauptverhandlung binnen weniger Monate. Dieser Einspruch bietet viele Chancen, er ist aber auch mit Risiken verbunden, die an die berühmte „Zwickmühle“ erinnern. Das Tückische am Einspruch und dem anschließenden Hauptverfahren ist, dass das Gericht an die Festsetzungen im Strafbefehl nicht gebunden ist und eine höhere Strafe verhängen kann (sog. reformatio in peius). Zwar kann der Einspruch zu jeder Zeit zurückgenommen werden, nach Beginn der Hauptverhandlung jedoch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ( §§ 411 Abs. 3 S. 2, 303 StPO). Und die Zustimmung zur Rücknahme wird meistens dann verweigert, wenn in der Hauptverhandlung deutlich wird, dass der Strafbefehl von einem leichteren Delikt ausgeht (z.B. fahrlässiger anstatt vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung) und die ursprünglich festgesetzten Sanktionen nicht mehr tat- und schuldangemessen sind. Folglich geht ein solcher Einspruch "nach hinten los".
Auf der anderen Seite können mit einem Einspruch auch Rechtsfolgen abgemildert werden. In der Praxis werden beim Erlass eines Strafbefehls die Beweise nur oberflächlich geprüft und die Höhe der Tagessätze wird nur geschätzt (ohne Berücksichtigung etwaiger Schulden oder Unterhaltsverpflichtungen). Spricht also die Beweislage für den Beschuldigten oder ist die angesetzte Strafe (Tagessatzhöhe, Tagessatzanzahl, Fahrverbot oder Entziehung der Fahrerlaubnis) im Strafbefehl nicht angemessen, dann ist man gut beraten, Einspruch einzulegen. Ein Anwalt kann nach Akteneinsicht beurteilen, ob ein milderes Urteil zu erwarten ist und/oder anregen, das Verfahren gegen Auflage einzustellen. Liegen die Chancen eher bei einer Verschlechterung, so kann der Einspruch immer noch zurückgenommen werden, bis zur Hauptverhandlung auch ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft.